Vor rund 30 Jahren habe ich mich mit dem Virus "Karpfenangeln" infiziert. Dreißig Jahre sind eine sehr lange Zeit, mit einer Fischerei mit vielen Höhen und Tiefen. Seit jeher war der Karpfen jener Fisch, der die größte Faszination auf mich ausgeübt hat. Faszination, Leidenschaft und Freude waren Motor und gleichzeitig ein unglaublicher Antrieb für mich, was mich zu vielen verrückten Aktionen getrieben hat.

foto01.jpg

foto02.jpg

Seit jeher war ich aber immer schon auf der Jagd nach dem Big Fish. Also auch zu einer Zeit in der es noch gar keine bzw. sehr wenige Großfische gab. Warum...? Dem großen Karpfen umgab für mich persönlich einfach immer ein ganz besonderer Mythos. Er sei schwer zu fangen weil sehr vorsichtig, sei bei der Auswahl seines Futters wählerisch und vor allem sei der Drill eines Großkarpfens unvergesslich. Und wer kennt sie nicht, genau die Situation in der ein großer Fisch scheinbar unaufhaltsam Schnur ohne Ende abzieht und es am Ende kein Happy End gibt. Ich habe im Lauf der Jahre solche Erlebnisse einige Male erlebt und sie haben mich geprägt. Am liebsten wäre ich vor Wut ins Wasser gesprungen...! Letztlich führte es aber nur dazu, dass mein Karpfenvirus noch stärker wurde. In all den Jahren habe ich sehr viele Gewässer befischt und versucht, möglichst erfolgreich zu sein. Das Maß der Dinge war es damals für mich, in einem Naturgewässer einen Fisch zu fangen der die 10 Kilogramm-Marke sprengt. Und es war in der Tat alles andere als leicht, dieses Ziel umzusetzen. Erst Anfang der Neunziger gelang mir mein erster Zweistelliger!

foto03.jpg

Ein Fisch, der im Übrigen bis heute einen ganz besonderen persönlichen Stellenwert für mich hat. Natürlich waren Größe und Gewicht besondere Faktoren, vor allem aber auch die Umstände des Fangs. Es war der erste große Fisch meines Lebens, den ich zuvor mehrmals beobachten und später gezielt fangen konnte. Eine unglaublich befriedigende Erfahrung ! Mit diesem Fisch lüftete sich einerseits der mystische Schleier des Großkarpfenfangs etwas für mich, andererseits entstanden wieder viele neue ungelöste Fragen. Lange Zeit habe ich Großkarpfen fast als eigene Spezies gesehen, mit besonderen Gewohnheiten und Vorlieben auf dies es zu reagieren gilt, was aus heutiger Sicht natürlich Humbug ist.

Ich hatte diesen Karpfen mit selbstgerollten steinharten Boilies gefangen. Basis dafür war eine sehr einfache Futtermischung mit geringem Nährwert. In der Folge begann ich mich sehr viel mit Futtermittel und deren Zusammensetzungen zu beschäftigen. Mein Bestreben war es damals, die "perfekte" Kugel zu schaffen bzw. zu finden. Ein Boilie, dass in seiner Zusammensetzung für den Fisch optimal verwertbar ist und vom Fisch sogar der natürlichen Nahrung vorgezogen wird. Ich muss aber dazu sagen, dass es damals noch keine Fertigboilies gab und auch im Futtermittelsektor die Auswahl nicht allzu groß war. Diverse Fischmehle, Lactalbulmin, Casein, Sojamehl, Kürbiskernmehl, Maismehl, Gluten, Weizenkeime, Enzyme, Vitamine... das war schon ziemlich alles was an Zutaten erhältlich war. Ich "baute" damals aus diesen Teilen eine sehr fängige Kugel, überwiegend basierend auf Fischmehlbasis. Und dieses Boilie funktionierte sehr gut, obwohl der Eiweißanteil nur bei etwa 40 % lag. Zum Leidwesen meiner Familie, habe ich damals über viele Jahre meine Boilies zu Hause selbst hergestellt.

Später, nach dem Fang des ersten Zweistelligen, meinem Phantomfisch dem ich so lange nachgestellt hatte, ging es plötzlich Schlag auf Schlag. Allerdings musste ich wieder einige Jahre warten, bis die nächste Marke 15 Kilogramm plus fiel.

foto04.jpg

Umso höher war dann für mich die persönliche Wertigkeit dieses Fisches, gefangen in einem anderen großen Naturgewässer. Wiederum hatte ich Jahre dafür verwendet, einen Fisch dieser Größe dort zu fangen. Dies erscheint aus heutiger Sicht nahezu unglaublich. Doch erinnern wir uns zurück: im Mutterland des Angelns hatte ein gewisser „Dick“ Richard Walker 1952 den britischen Rekordkarpfen mit 44 englischen Pfund (etwas mehr als 20 kg) gefangen. Dieser Rekord sollte 30 Jahre (!!) halten, denn er wurde erst 1982 eingestellt.

Erst 2006, also vor 8 Jahren, fing ich meinen ersten Zwanziger und dieser Fisch machte mich überglücklich.

foto05.jpg

In der Zwischenzeit fing ich viele weitere Zwanziger, 25plus Fische und zuletzt in der Saison 2011 auch meinen ersten Dreißiger.

foto06.jpg

foto07.jpg

foto08.jpg

Fact ist jedoch, selbst nach 30 Jahren Karpfenangeln bewegt mich der Fang eines großen Fisches immer noch genauso wie früher. Natürlich haben wir heute ganz andere Mittel, die unsere Methodik unterstützen und perfektionieren und somit ist es um vieles leichter geworden große Fische zu fangen. Nicht zuletzt auch deshalb, weil ich heute Gewässer befische, die nachweislich große Fische beherbergen. Ich denke, dies ist ein wichtiger Faktor. Aber auch das seit vielen Jahren praktizierte Catch and Release trägt nun seine Früchte.

Das Gefühl in mir, beim Fang und während des Drills ist ungeachtet der Zeit unverändert. Die wuchtige Kraft eines Großkarpfens ist auch heute für mich unweigerlich immer noch mit weichen Knien verbunden. Herzrasen ist eine Begleiterscheinung und die Angst ob der Haken auch wirklich hält allgegenwärtig.... all das empfinde ich immer noch genauso intensiv wie damals. Ebenso wie die Freude über einen besonders guten oder schönen Fisch. All das macht Karpfenangeln für mich aus und ist auch der Grund warum ich diesen Fisch so liebe !

Noch ein Wort zur Köderwahl. Heute erleichtern uns Fertigboilies die Fischerei ungemein. Es gibt ein Riesensortiment am Markt, dennoch verschwinden viele Firmen genauso schnell wie sie gekommen sind. Qualität macht sich eben bezahlt und ein qualitativ hochstehendes Produkt wird nicht nur momentan fangen sondern dauerhaft Erfolge bringen. Ich verwende heute ausschließlich Fertigboilies von Dragon Baits und habe hervorragende Erfahrungen damit gemacht. Es macht für mich somit kein Sinn mehr selbst zu rollen, daher nutze ich die Zeit lieber am Wasser, als in der Küche zu stehen.

foto09.jpg

Eines möchte ich noch anmerken: Lassen wir uns beim Karpfenangeln dennoch nicht ausschließlich vom Fischgewicht leiten. Wir machen uns damit doch nur selbst das Leben schwer. Ich möchte den Altmeister des Karpfenangelns Richard Walker zitieren, eines seiner bekanntesten Zitate lautete:

„Die Auffassung, dass ein Karpfen von 20 Pfund 10 Gramm ein großer Triumph sei, man sich aber über ein Karpfen von 19 Pfund 490 Gramm eigentlich schämen müsse, ist handfester Unsinn. Wir sind an einem Punkt angekommen, an dem Angler ihr Glück davon abhängig machen, ob ein Fisch vor dem Kescher zehn oder zwanzig Gramm Scheiße verliert oder nicht.“

foto10.jpg

Das Geheimnis um den Erfolg beim Karpfenfang ist für mich zwar weitgehend gelüftet worden, Mystik und Faszination um das Karpfenangeln sind dennoch für mich ungebrochen. Auch nach 30 Jahren Karpfenangeln ist der Karpfen nach wie vor mein Lieblingsfisch Nummer Eins!

foto11.jpg

Robert Roula